Was ist Wut?
Wut Definition: Wut und Ärger sind gleichbedeutend verwendet als stark erlebte Emotion, die oft entsteht, wenn eigene Ziele unerreichbar scheinen oder eigene Regeln und Grenzen verletzt wurden. Wut dient als Erklärung für aggressives und impulsives Verhalten. Die Wut- Bedeutung umfasst nicht das Gleiche wie Zorn, letztere Emotion ist mit stärkerer Erregung verbunden. Alltagssprachlich werden “Wut- Lernen” oder “Wüterich” oder "Choleriker" als verwandte Begriffe genutzt.
Inhaltsverzeichnis
Innere Wut ohne Grund
In vielen Ratgebern wird empfohlen, Wut in angemessener Art und Weise zu kanalisieren und “Dampf abzulassen”, indem man sich zum Beispiel künstlerisch betätigt oder Sport macht. Auch wenn die Studienlage hierzu nicht eindeutig ist, gehen viele Menschen im Alltag davon aus, dass das gut tut; das Gegenteil kennen viele als unterdrückte Wut. Symptome, die innere Wut beschreiben könnten, sind:
- innere Anspannung
- Körper kann sich erhitzt/ warm anfühlen (wie Hitzewallungen)
- Gesicht kann rot werden
- Haut kann feucht/ schwitzig werden
Wut oder Zorn kann gesellschaftlich manchmal nicht besonders anerkannt sein: In der Bibel ist sogar Zorn eine Todsünde. Wut nicht zu unterdrücken, ist aber für das seelische Wohlbefinden sehr wichtig. In der Regel erlernt man als Kind durch Spiegelung der Eltern, wie man mit Wut umgeht, was sie bedeutet und woher sie kommt (Was macht mich wütend?). Man erhält dadurch unter anderem die Fähigkeit zu mentalisieren, das heißt, sich z.B. vorstellen zu können, was eigenes Verhalten bei Anderen auslöst. Mentalisierung im Kontext von Wut kann also auch bedeuten, dass man verstehen kann, weshalb andere (und man selbst) wütend sind. Wenn kindliche Emotionen (wie z.B. Wutausbrüche im 2.- 3. Lebensjahr) nicht angemessen gespiegelt werden, nennt man das in der Psychologie “inkongruente Spiegelung”.
Wut loswerden
Um innere Wut loswerden zu können, sind diese Punkte zum Beispiel von der AOK empfohlen:
- Durchatmen: Mit der 3-7-8 Atemübung kannst du Zeit verstreichen lassen und versuchen, dich zu beruhigen, solltest du sehr wütend sein. 3 Sekunden lang atmest du ein, 7 Sekunden lang hältst du die Luft an und 8 Sekunden lang atmest du aus.
- Aus der Situation gehen: Das hilft in Situationen, in denen wir auf andere Personen wütend sind oder diese uns mit einer Bemerkung “auf die Palme” gebracht haben. Indem man sich kurz zurückzieht und aus dem Raum oder nach draußen geht, lenkt man seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes.
- Stressball kneten: Nicht nur ein Stressball, im Allgemeinen hilft sensorische (körperliche/ über die Haut wahrnehmbare) Ablenkung deinem Gehirn den Fokus weg von den Gedanken auf körperliche Prozesse (im außen) zu lenken und du bist vielleicht weniger wütend.
- Gedanken Stoppen: Indem man gedanklich STOPP sagt, kann man sich und seine Wut aus den Gedankenschleifen reißen.
Langfristig können Entspannungstechniken hilfreich sein und eine vorbeugende (präventive) Wirkung auf zukünftige Wutausbrüche haben. Dazu zählen
- progressive Muskelrelaxation (nach Jacobson)
- autogenes Training
- Meditation
- Yoga
- Sauna und Wellness
Wut loswerden: Tipps (Bücher)
- Dr. Leon Windscheid: Besser fühlen: Eine Reise zur Gelassenheit
- F. von Aderkas: Wutkraft: Energie gewinnen. Beziehungen beleben. Grenzen setzen.
- Marshall B. Rosenberg: Was deine Wut dir sagen will: überraschende Einsichten: Das verborgene Geschenk des Ärgers entdecken. Gewaltfreie Kommunikation: Die Ideen & ihre Anwendung
- Liv Larsson: Wut, Schuld & Scham. Drei Seiten der gleichen Medaille
Wut loswerden mit Emotionsregulation
Wie Menschen mit Emotionen wie Wut im Allgemeinen umgehen können, bezeichnet man als Emotionsregulation. Das bedeutet, dass Personen unterschiedlich darin sind, das Erleben, die Intensität, Dauer, den Zeitpunkt und Ausdruck von Wut beeinflussen zu können. Es gibt zwei Ansätze, die erklären, wie Menschen mit Emotionen wie Wut umgehen (= sie regulieren). Einer davon ist der deskriptive Ansatz zur Klassifikation von Regulationsstrategien aus dem Jahr 1999.
Es gibt einen frühen (antezedenzfokussiert) und späten (reaktionsfokussiert) Umgang mit Emotionen.
Frühe Emotionsregulation umfasst:
- Situationswahl (z. B. Termin absagen)
- Veränderung der Situation (z. B. jemandem von seiner Wut erzählen)
- Ablenkung (z. B. Musik hören, wenn man wütend ist)
- kognitive Veränderung oder Neubewertung (z.B. Wut ist gut, wenn ich mich über Fehler ärgere)
Späte Emotionsregulation beinhaltet:
- Regulation körperlicher Erregung (z. B. Entspannungsverfahren)
- Gefühlsregulation (z. B. kreative Beschäftigungen)
- Regulation von Mimik/ Gestik (z. B. Lächeln trotz Wut)
Wut unterdrücken oder neu bewerten?
Wut zeigen zu wollen, ist in manchen sozialen Kontexten unangebracht, weshalb wir Wut unterdrücken. Aber welcher ist der bessere Umgang: Unterdrückte Wut oder neu bewertete Wut?
Was passiert, wenn man Wut unterdrückt?
- das eigene Erleben der Wut wird von der Mimik beeinflusst, zum Beispiel, wenn man lächelt, statt wütend zu werden
- Aber: Wenn man eine negative Emotion (Wut) unterdrückt, bleibt das Gefühl trotzdem da → es ist also nicht möglich, Wut zu unterdrücken, damit sie verschwindet!
Was passiert, wenn man Wut neu bewertet?
- die Art, wie wir eine Situation bewerten, hat einen Effekt auf unsere emotionale Reaktion (Beispiel: Wenn ich weiß, dass eine überfüllte Bahn mich wütend macht, werde ich in überfüllten Bahnen auch wütend. Wenn ich aber denke, dass eine überfüllte Bahn mich belustigt, weil ich die verschiedenen Leute in ihrer Routine beobachten kann, werde ich nicht wütend.)
- Wenn ich eine Situation, die mich potenziell wütend macht, neu bewerte, reduziert sich die Intensität meiner Wut, schwächt meinen (wütenden) Verhaltensimpuls und die körperliche Wut- Reaktion (hoher Blutdruck etc.) ab.
Wut: Psychologie
Die psychologischen Begriffe, die Aggression beschreiben, gleichen denen der Wut. Bedeutung und Entstehung von Wut sind ebenfalls vergleichbar mit der von Aggression. Es gibt dazu drei fulminante Theorien:
- Freud: Sigmund Freud postulierte als Primärtriebe des Menschen den sogenannten Lebenstrieb (Libido) und den Todestrieb (Thanatos). Sehr vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich beim Todestrieb um einen Trieb, der danach strebt, alles Lebendige in einen unbelebten Zustand zu überführen, also wie eine Art Starre. Ein anschauliches Beispiel für den Todestrieb ist der Suizid. In Bezug auf Aggression oder Wut wäre der Todestrieb wie folgt zu verstehen: richtet sich aggressive Energie gegen einen anderen Organismus, nennt Freud das Destruktionstrieb. Destruktives Verhalten muss nicht zwangsläufig Zerstörung beinhalten, sondern kann ebenfalls die (künstlerische) Erschaffung von Neuem (durch diese Energie) bedeuten. So könnte man sich nach Freud musikalische, künstlerische oder auch sportliche Leistungen erklären.
“Weiter führte die Idee, daß sich ein Anteil des Triebes gegen die Außenwelt wende und dann als Trieb zur Aggression und Destruktion zum Vorschein komme. Der Trieb würde so selbst in den Dienst des Eros gezwängt, indem das Lebewesen anderes, Belebtes wie Unbelebtes, anstatt seines eigenen Selbst vernichtete.” – Freud
- Bandura: Der kanadische Psychologe zeigte mit seinem “Bobo Doll Experiment”, dass aggressives Verhalten maßgeblich durch die Beobachtung von aggressivem Verhalten, dass von Vorbildern wie den Eltern gezeigt wird, erlernt wird. Das Kind lernt, dass aggressives Verhalten ein adäquates Mittel im Umgang mit Frustrationen sein kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ebenfalls dieses Verhalten zeigt, steigt.
- Frustrations- Aggressions-Hypothese: Diese These besagte, dass auf eine Frustration immer Aggression (Ärger, Wut) folgen muss, um sich “abzureagieren”. Die These wurde seit der ersten Studie im Jahr 1939 mehrmals von verschiedenen Wissenschaftlern untersucht und abgeändert. Die heutige Forschung der Psychologie kommt allerdings zu dem Schluss, dass diese These als widerlegt bzw. nicht haltbar gilt, da Menschen zum Beispiel eine Frustrationstoleranz entwickeln und die Art des Ausdrucks von Wut oder Frustration nicht automatisch und linear in Aggression umschlägt.
Wut: Folgen
Was passiert eigentlich im Körper, wenn man wütend ist? Und warum kann Wut Folgen haben, die pathologisch sind? Wenn man Wut unterdrückt, dann erzeugt das Stress und das Stresssystem ist aktiviert. Gut beobachtbare und messbare Folgen sind
- ein erhöhter Cholesterinspiegel
- hoher Blutdruck
- höheres Risiko für Herzinfarkt und Erkrankungen des Herz- Kreislauf Systems
- gesteigerte Produktion von Adrenalin und Noradrenalin (Stresshormone).
Wut kann, wenn man sie ständig unterdrückt oder ihr unkontrolliert freien Lauf lässt, zudem die Entstehung psychischer Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen und Abhängigkeit (Alkohol) begünstigen, weil sie als Reaktionen auf chronischen Stress verstanden werden können. Vor allem bei Männern kann Wut laut einigen Studien ein sonst eher untypisches Symptom einer Depression darstellen, was bei Frauen seltener beobachtet wird. Und auch auf die Schmerzwahrnehmung hat Wut einen Einfluss: Je wütender man wird, bzw. je mehr man seine Wut ausdrückt, desto stärker nimmt man Schmerzen wahr. Vor Allem bei chronischem Schmerz und Rückenschmerzen ist dieser Zusammenhang deutlich.
Wut: Universale Emotion
In der Psychologie unterscheidet man verschiedene Erklärungsansätze bzw. Theorien zur Definition und Klassifikation von Emotionen. Einige dieser Ansätze sind:
- evolutionsbiologisch
- lerntheoretisch
- psychophysiologisch
- kognitive Bewertungstheorien
Emotion sichert Überleben
Im evolutionsbiologischen Ansatz wird zentral davon ausgegangen, dass Menschen wohl eher überleben, wenn sie andere Menschen über ihre Gefühle aufklärten (Warum habe ich mich so gefühlt?). Außerdem gibt es Verhalten, das der Arterhaltung (im weitesten Sinne) dient, sowie Verhalten, das schädlich ist. Beides (schädliches und zuträgliches Verhalten) ist entweder von angenehmen oder unangenehmen Emotionen begleitet (Zur Studie). Ein einfaches Beispiel: Wenn wir fett- bzw. kohlenhydrathaltige Lebensmittel essen, ist das in der Regel von angenehmen Gefühlen begleitet.
Zudem wurden durch den Emotionsforscher Ekman sechs universale, das heißt kulturunabhängige (weltweit verbreitete), Emotionen aufgedeckt:
- Freude
- Überraschung
- Ärger
- Ekel
- Furcht
- Trauer
Wut und Angst
Wut und Angst können laut einigen Untersuchungen zusammenhängen. Das wird so erklärt, dass eine aus Angst resultierende innere Anspannung Wut auslösen kann (durch erhöhtes Stresserleben, Muskelanspannung etc.). Die Wut, wenn sie zum Beispiel nach innen gerichtet ist (Abwertung des Selbst; unangemessene Bewertung von Situationen und Ursachen), wäre mit den Symptomen von Angststörungen oder Panik vergleichbar. Mache hier den kostenlosen und wissenschaftlich fundierten Test und finde heraus, ob du Anzeichen für eine Angststörung zeigst.
Innere Wut: Ursachen und Arten
Innere Wut kann viele Ursachen haben. Einige Personen fragen sich deshalb vielleicht auch: “Woher kommt Wut?” oder “Warum werde ich schnell wütend?”
- Ohnmachtsgefühl (sich den eigenen Gefühlen ausgeliefert zu wissen oder mit einer belastenden Situation emotional nicht umgehen zu können, kann Wut auslösen)
- Konsum von Gewaltmedien (Ego-Shooter Spiele oder Inszenierungen von Gewalt in Filmen sind zwar keine direkte Ursache von Wut, können aber bei Jugendlichen und Kindern nachahmendes Verhalten provozieren)
- Demütigung/ Mobbing/ Missbrauch/ Traumata (überwältigende Emotionen können manchmal nicht sofort verstanden und “verdaut” werden, sodass sich Emotionen einen anderen Kanal suchen: Wut)
- Psychische Erkrankungen (bei affektiven Störungen wie Depression oder auch der Borderline- Persönlichkeitsstörung kann Wut eine häufig vorkommende Emotion sein)
Mehr über Gewalt und die gesellschaftlichen Folgen kannst du hier nachlesen. Es werden fünf verschiedene Arten von Wut benannt, die unterschiedlicher Herkunft sein oder auch selbst eine Ursache für Wut darstellen können:
- Frustration
- Impulsive Wut (schnell und ganz plötzlich/ unkontrollierbar)
- Selbstgerechte Wut (wenn man das Gefühl hat, ungerecht behandelt zu werden)
- Unterdrückte Angst (Der Zusammenhang von Angst und Wut könnte so zum Beispiel funktionieren: ist jemand ängstlich und kann das aber nicht nach außen zeigen, so äußert sich diese Angst vielleicht in Wut und bahnt sich so ihren Weg an die Oberfläche)
- Ohnmachtsgefühl (ist man selbst wie betäubt oder “ohnmächtig” und fühlt sich hilflos durch andere Gefühle, kann das auch in Wut umschlagen)
Quellenangaben
- Aronson E. et al. (2014) Frustration und Aggression in Sozialpsychologie. Pearson Verlag. 8. Aufl. ISBN: 978-3-86894-217-0
- Bandura, Walters (1963) Social learning and personality development, New York: Holt, Rinehart & Winston.
- Bandura (1973) Aggression: social learning analysis, Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall
- Bischof-Köhler, Doris (1985): Zur Phylogenese menschlicher Motivation. In: Eckensberger, Lutz H.; Baltes, Margret M. (Hrsg.): Emotion und Reflexivität. München: Urban & Schwarzenberg. S. 3-47
- Brian Parkinson & Peter Totterdell (1999) Classifying Affect-regulation Strategies, Cognition and Emotion, 13:3, 277-303, DOI: 10.1080/026999399379285
- Dollard, J., Doob, L.W., Miller, N., Mowrer, O.H. & Sears, R.R. (1939). Frustration and aggression. New Haven: Yale University Press.Franjić S. (2022) Aggression is an Emotional Reaction. SAR Journal of Psychiatry and Neuroscience. pp. 15-21 DOI : 10.36346/sarjpn.2022.v03i02.001
- https://de.wikipedia.org/wiki/Wut
- https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/emotionsregulation
- https://lexikon.stangl.eu/25534/wut
- https://www.aok.de/bw-gesundnah/psyche-und-seele/tipps-gegen-wut
- https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/artikel-detailansicht/41437-die-wurzeln-des-hasses.html
- Sigmund Freud: Der Todes- und Destruktionstrieb. In: Das Unbehagen in der Kultur. 1930 https://www.textlog.de/freud-psychoanalyse-todes-destruktionstrieb.html
- Walther, Andreas; Seidler, Zac E. (2020) Männliche Formen der Depression und deren Behandlung. Aus der Praxis In Psychotherapie im Dialog; 21(04): 40 - 45. DOI: 10.1055/a-0987-5902
- Williams, JE: The association between trait anger and incident stroke risk: the Atherosclerosis risk in communities (ARIC) study, Zeitschrift: STROKE, Ausgabe 33 (2002), Seiten: 13-20
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- Wut und Ärger: Zeichen schwerer Depression. MMW - Fortschritte der Medizin 155, 22 (2013). https://doi.org/10.1007/s15006-013-2318-6
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