Zurück 21 Apr 2022 · 9 min lesezeit
von Nora Blum

Bei einer Persönlichkeitsstörung sind die Verhaltensmuster meist so unangemessen, dass sie die Lebensqualität des Betroffenen beeinträchtigen und mitunter zu zwischenmenschlichen Konflikten führen. Erfahre hier, welche Persönlichkeitsstörungen es gibt und was du dagegen tun kannst.

Die Persönlichkeit unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Die jeweiligen Denk-, Wahrnehmungs-, Reaktions- und Beziehungsmuster prägen den Charakter und verleihen ihm seine Individualität. Bei einer Persönlichkeitsstörung weichen diese Muster meist stark von angemessenen Verhaltensmustern ab, sodass sie den Betroffenen und das menschliche Miteinander beeinträchtigen. Es gibt eine Vielzahl von Persönlichkeitsstörungen, deren Grundlagen oft schon im Jugend- oder frühem Erwachsenenalter gebildet werden. Die gute Nachricht: Mit Hilfe einer geeigneten Therapie kannst du an den beeinträchtigten Verhaltensweisen arbeiten. Auch du selbst kannst einiges tun, um deinen Alltag besser zu bewältigen.

Eine Frage der Persönlichkeit?

Der Mensch ist Inbegriff der Individualität. Es gibt eine immense Vielfalt an diversen Persönlichkeiten, die unseren Charakter prägen: Während der eine eher zurückhaltend, ängstlich und still ist, ist der andere eher extrovertiert, offensiv und laut. Doch wann kommt unsere Persönlichkeit wirklich zu Tage? Sie bestimmt unsere Reaktion sowohl auf andere Menschen als auch auf Konfliktsituationen und vor allem, ob und wie wir Situationen mit Problem- und Konfliktpotential bewältigen. Gerade in diesen Momenten machen sich Persönlichkeitsstörungen bemerkbar, da sie meist von angemessenen Verhaltensmustern abweichen und somit eine Beeinträchtigung des Sozialverhaltens mit sich bringen.

Was ist eine Persönlichkeitsstörung? Definition

Unterschiedliche Denk-, Wahrnehmungs-, Reaktions- und Beziehungsmuster prägen den Charakter eines Menschen und verleihen ihm seine Individualität. Bei einer Persönlichkeitsstörung weichen diese Muster meist stark von angemessenen Verhaltensmustern ab, sodass sie die Lebensqualität des Betroffenen beeinträchtigen und zu (subjektivem) Leid führen. Das gestörte Sozialverhalten hat häufig auch zwischenmenschliche Konflikte zur Folge. Dies macht den Umgang mit Menschen mit Persönlichkeitsstörung im Alltag oft nicht leicht.

Eine Persönlichkeitsstörung ist kein vorübergehendes Phänomen. Vielmehr müssen die problematischen Persönlichkeitszüge kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum bestehen, damit die Definition erfüllt ist. Häufig können sie bis ins Jugend- oder frühe Erwachsenenalter zurückverfolgt werden. Persönlichkeitsstörungen kommen alles andere als selten vor: Es wird angenommen, dass jede:r Zehnte unter einer Persönlichkeitsstörung leidet.

Wie äußert sich eine Persönlichkeitsstörung? Symptome

Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, da es eine Vielzahl an unterschiedlichen Persönlichkeitsstörungen gibt, die sich durch verschiedene Symptome äußern können. Erfahre hierzu mehr unter den jeweiligen Persönlichkeitsstörungen. Grundsätzlich haben Persönlichkeitsstörungen jedoch einige gemeinsame Merkmale. Hierzu zählen starre und geringe Flexibilität, fehlende Anpassung oder starke Ausprägung der Persönlichkeit.

Habe ich eine Persönlichkeitsstörung? Test und Diagnostik

Selbsttests, wie sie zum Beispiel im Internet angeboten werden, können erste Anhaltspunkte dazu geben, ob bei dir eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Vorsicht: Sie ersetzen keine fachliche Diagnose. Wende dich hierzu am, besten an deine Hausärztin:arzt, eine:n Psycholog:inoder eine:n Psychotherapeut:in.

Für eine Diagnostik benötigen Expert:innen umfassende Informationen über deine aktuelle Situation und über deine Lebensgeschichte. Mithilfe von strukturierten und standardisierten Interviews, Fragebögen und Checklisten können sie einschätzen, ob und welche Art der Persönlichkeitsstörung bei dir vorliegt.

Wie entsteht eine Persönlichkeitsstörung? Ursachen

Eine Persönlichkeitsstörung tritt oft schon im späten Jugend- oder im frühen Erwachsenenalter auf. Manchmal gibt es hierfür bereits in der Kindheit erst Anzeichen. Fachleute schätzen, dass Persönlichkeitsstörungen in etwa 50 Prozent aller Fälle genetisch bedingt sind. Auch Umgebungsfaktoren werden als Ursache vermutet. Damit ist klar, dass es sich bei einer Persönlichkeitsstörung um keine Charakterschwäche, sondern um eine ernstzunehmende psychische Störung handelt, die behandelt werden sollte.

Welche Persönlichkeitsstörungen gibt es?

Die internationalen Klassifikationssysteme ICD und DSM definieren eine Vielzahl an unterschiedlichen Persönlichkeitsstörungen. Die Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen basiert auf einer Aufteilung der auftretenden Merkmale. Nicht immer sind die Störungsbilder klar voneinander trennbar. Zudem kommt es vor, dass Betroffene mehrere Störungsbilder gleichzeitig aufweisen. Oft ist in diesem Zusammenhang auch von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung die Rede.

Persönlichkeitsstörung: ICD 10 und DSM teilen Persönlichkeitsstörungen in drei unterschiedliche Cluster ein. 

Danach werden unterschieden: Persönlichkeitsstörungen – Cluster A, B und C

  • Cluster A Persönlichkeitsstörung: Persönlichkeitsstörungen mit „sonderbaren und exzentrischen Verhaltensweisen“. Hierzu zählen die paranoide Persönlichkeitsstörung, die schizoide Persönlichkeitsstörung und die schizotype Persönlichkeitsstörung.
  • Cluster B Persönlichkeitsstörung: Persönlichkeitsstörungen mit „dramatischem, emotionalem und launenhaftem Verhalten“. Diese Gruppe umfasst die dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung, emotional instabile (Borderline-)Persönlichkeitsstörung, histrionische Persönlichkeitsstörung und narzisstische Persönlichkeitsstörung.
  • Cluster C Persönlichkeitsstörung: Persönlichkeitsstörungen mit „ängstlichem und vermeidendem Verhalten“. Hierzu gehören die ängstlich vermeidende (selbstunsichere) Persönlichkeitsstörung, die dependente (abhängige) Persönlichkeitsstörung und die zwanghafte (anankastische) Persönlichkeitsstörung.

Paranoide Persönlichkeitsstörung

Misstrauische, streitsüchtige sowie selbstbezogene Verhaltensweisen sind kennzeichnend für die paranoide Persönlichkeitsstörung. Fallbeispiel: Ein Mann empfindet andere Menschen als feindselig und lebt in der Annahme, dass die ganze Welt gegen ihn sei. Da er den Verdacht hat, ständig ausgenutzt, betrogen oder geschädigt zu werden, sucht er ständig nach Anzeichen und Beweisen hierfür. 

Paranoide Persönlichkeitsstörung: Test

Ein internationales Standardinstrument zur Diagnose einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung ist eine bestimmte Form der Befragung (Strukturiertes Klinisches Interview zum DSM-5). Mit diesem Verfahren können Ärzt:innen gleich mehrere Persönlichkeitsstörungen erfassen. Hier erfährst du mehr über diesen Weg der Diagnose.

Schizoide Persönlichkeitsstörung

Sehr zurückgezogene, in sich gekehrte Verhaltensweisen sind kennzeichnend für das Störungsbild schizoide Persönlichkeitsstörung. Fallbeispiel: Eine junge Frau flüchtet im Alltag immer wieder in Fantasiewelten, isoliert sich von ihrem Umfeld und verbringt ihre Zeit am liebsten allein. Freude oder andere Gefühle zu erleben, fällt ebenfalls schwer bei dieser Persönlichkeitsstörung. Lügen gehören ebenfalls dazu, weil Betroffene durch die Flucht vor der Realität sich oft selbst etwas vorgaukeln.

Schizoide Persönlichkeitsstörung: Test

Ein internationales Standardinstrument zur Diagnose einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung ist eine bestimmte Form der Befragung (Strukturiertes Klinisches Interview zum DSM-5). Mit diesem Verfahren können Ärzt:innen gleich mehrere Persönlichkeitsstörungen erfassen. Hier erfährst du mehr über diesen Weg der Diagnose.

Schizotype Persönlichkeitsstörung

Diese Persönlichkeitsstörung geht mit enormen Defiziten des Sozialverhaltens einher. Betroffene neigen zu äußerst eigenartigen Verhaltensweisen. Dies kann auch am eigenwilligen Kleidungsstil und der skurrilen Sprache erkennbar sein. Zudem haben Betroffene eine stark verzerrte Wahrnehmung und sehr verstrickte Denkmuster.

Dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung

Die dissoziale Persönlichkeitsstörung wird auch antisoziale Persönlichkeitsstörung genannt. Betroffene haben meist instabile Beziehungen, da sie kaum bis gar kein Einfühlungsvermögen besitzen. Durch die sehr geringe Frustrationstoleranz neigen sie schnell zu aggressiven Verhaltensweisen. Auffällig bei diesem Störungsbild ist zudem das Missachten geltender Regeln und fehlendes Verantwortungsbewusstsein. Ein solches Verhalten ist auch kennzeichnend für die passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung oder negativistische Persönlichkeitsstörung.

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung

Bei dieser Persönlichkeitsstörung definiert das ICD zwei Arten:

  • den impulsiven, emotional instabilen Typus
  • und die Borderline-Persönlichkeitsstörung. 

Die instabile Persönlichkeitsstörung ist von einer mangelnden Impulskontrolle und emotionaler Instabilität geprägt. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch das Leiden an dem permanenten Gefühl von Leere, der Neigung zu impulsivem Verhalten und den intensiven jedoch instabilen und kurzlebigen zwischenmenschlichen Beziehungen.

Histrionische Persönlichkeitsstörung

Stark übertriebenes, theatralisches Verhalten, welches mit einer gewissen Labilität und Oberflächlichkeit einhergeht, ist typisch für die histrionische Persönlichkeitsstörung. Fallbeispiel: Eine Frau fällt immer wieder durch ihre dramatischen Auftritte auf, fällt selbst flüchtigen Bekannten um den Hals. Außerdem ist sie sich ihrer erotischen Ausstrahlung bewusst. Dementsprechend ist bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung Sexualität oft ein wichtiges Thema.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Arrogantes, selbstbezogenes und egoistisches Verhalten ist ein wesentliches Merkmal der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Symptome beruhen meist auf tief verwurzelten Ängsten, nicht ausreichend Anerkennung zu erhalten und abgelehnt zu werden, sowie einem geringen Selbstbewusstsein. Narzisstische Persönlichkeiten haben meist ein geringes Maß an Empathie und sind zudem kaum kritikfähig. Dadurch erschwert eine narzisstische Persönlichkeitsstörung Partnerschaft oder Beziehungen und begünstigt Fremdgehen.

Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung

Mit der ängstlich vermeidenden oder selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung geht meist die Angst einher, abgelehnt zu werden oder auf andere unattraktiv zu wirken, weshalb Betroffene nur schwer mit Kritik umgehen können und in der Regel unsicher und zurückhaltend sind. Menschen mit einer unsicheren Persönlichkeitsstörung sehnen sich danach, von anderen Zuneigung zu erhalten und akzeptiert zu werden.

Dependente Persönlichkeitsstörung

Die dependente Persönlichkeitsstörung wird auch als abhängige Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Betroffenen fällt es äußerst schwer, unabhängig von anderen Menschen Entscheidungen zu treffen, da sie sich weitgehend an diesen orientieren. Das Störungsbild ist zudem von starken Gefühlen wie der Angst vor dem Verlassen-Werden geprägt. Betroffene zeigen sich meist passiv und unterwürfig. Ähnliche Symptome zeigt die asthenische Persönlichkeitsstörung. Diese Personen lassen andere für sich entscheiden und übernehmen ungern selbst Verantwortung.

Anankastische Persönlichkeitsstörung

Anankastische Persönlichkeitsstörung bedeutet auch zwanghafte Persönlichkeitsstörung. Perfektionismus sowie ein übermäßiges Kontrollbedürfnis sind kennzeichnend für diese neurotische Persönlichkeitsstörung. Betroffene leiden unter ständigen Zweifeln, sind zudem nicht flexibel und wirken pedantisch. Beim Ausüben einer Tätigkeit spielen die damit verbundenen Regeln für Betroffene eine wesentlich wichtigere Rolle.

Dissoziative Persönlichkeitsstörung

Die dissoziative Persönlichkeitsstörung wurde früher auch als multiple Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Hierbei handeln die Betroffenen als unterschiedliche Personen. Je nach dem gerade vorherrschendem Störungsbild wechseln die Teilpersönlichkeiten, treten aber nie zur gleichen Zeit auf. Personen mit einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung ist dieses Handeln oft nicht bewusst und sie haben diesbezüglich Erinnerungslücken. Das Existieren dieses Störungsbildes ist unter Experten:innen allerdings sehr umstritten und kommt nur selten vor.

Bipolare Persönlichkeitsstörung

Eine bipolare Persönlichkeitsstörung zeigt sich bei Betroffenen durch ein extremes Auf und Ab ihrer Emotionen. Dabei schwanken Betroffene zwischen grenzenloser Euphorie und totaler Niedergeschlagenheit. Diese Achterbahn der Gefühle macht ein geregeltes Leben für Betroffene mit einer Bipolaren Störung nahezu unmöglich.

Organische Persönlichkeitsstörung

Eine organische Persönlichkeitsstörung ist eine Sonderform der Persönlichkeitsstörungen. Sie entwickelt sich – wie der Name bereits andeutet – als Folge einer organischen Hirnschädigung. Es kommt zu auffälligen Verhaltensveränderungen. Zusätzlich können auch die kognitiven Fähigkeiten beziehungsweise das Denkvermögen beeinträchtigt sein.

Wie können Persönlichkeitsstörungen therapiert werden?

Bei Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung solltest du eine:n fachkundige:n Psycholog:in, Psychotherapeut:in oder Psychiater:in aufsuchen. Steht die Diagnose fest, haben sich auf das jeweilige Störungsbild angepasste verhaltenstherapeutische, aber auch tiefenpsychologisch fundierte Therapieverfahren bewährt. Ziel jeder Therapieform ist es, dir eine Möglichkeit zu geben, an deinen – durch die Störung beeinträchtigten – Verhaltensweisen zu arbeiten. Dadurch können destruktive Symptome gelindert werden, sodass du deinen Alltag (wieder) besser bewältigen kannst. Selbsthilfe-Gruppen bieten eine gute Gelegenheit, sich doch mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Da Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung vermehrt zu Alkohol- und Drogenmissbrauch neigen, solltest du auch dieses Problem gezielt behandeln lassen. Bei Selbstmordgedanken oder depressiven Symptomen als Begleiterscheinungen solltest du dich nicht scheuen, ebenfalls therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Im Akutfall helfen dir Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, die nächste psychiatrische Klinik oder Notärzt:innen unter der Telefonnummer 112.

Ein Artikel von

Nora Blum Gründerin · Psychologin

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Quellenangaben

  1. Bronisch T., Habermeyer V., Herpertz S.C. (2008): Persönlichkeitsstörungen. In: Möller HJ., Laux G., Kapfhammer HP. (eds): Psychiatrie und Psychotherapie. S. 2033-2095, Springer
  2. Fiedler P. (2011) Persönlichkeitsstörungen. In: Wittchen HU., Hoyer J. (eds) Klinische Psychologie & Psychotherapie. S. 1101-1121, Springer-Lehrbuch
  3. Sachse, R. (2012): Persönlichkeitsstörungen verstehen, Psychiatrie Verlag
  4. Wöller, W., Tress, W. (2005): Die psychotherapeutische Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. In: Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Band 51, Ausgabe 2

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