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Extrovertiert oder introvertiert: Persönlichkeitstypen in der Psychologie

17 Jul 2023 · 3 min lesezeit
von Hanna Eggebrecht
Extrovertiert

Extrovertiert bedeutet, dass eine Person "nach außen orientiert" ist (engl.: outgoing). Extrovertierte mischen sich gern unter Leute, haben meist einen großen Freundeskreis und fühlen sich bei sozialen Aktivitäten wohl, sie laden ihre Energie darüber förmlich auf, fühlen sich also lebendig, während Introvertierte sich eher ausgelaugt fühlen.

Extrovertiert: Bedeutung

Was bedeutet extrovertiert sein? Wenn sich eine Person extrovertiert bzw. extravertiert verhält, dann ist sie typischerweise: 

  • aktiv
  • abenteuerlustig
  • fröhlich
  • herzlich
  • gesellig
  • dominant.

Extraversion ist nicht als Kategorie zu verstehen, sondern als Dimension. Das heißt, man ist nicht extravertiert oder nicht, sondern jede Person trägt Extraversion in sich. Bei manchen Personen ist sie stärker ausgeprägt, bei anderen dominieren die Anteile der Introversion. 

Was bedeutet introvertiert sein?
Ähnlich wie bei Extraversion, gibt es einige typische Eigenschaften, mit denen man dem Begriff bzw. Konstrukt “introvertiert” eine Bedeutung zuschreiben könnte. Eine eher introvertierte Person könnte man typischerweise mit folgenden Eigenschaften beschreiben: 

  • Trägheit
  • Bedächtigkeit
  • Ernsthaftigkeit
  • Zurückhaltung
  • Distanziertheit und 
  • Unterwürfigkeit. 

Wer hat Extraversion und Introversion erfunden?

Die Begriffe Extraversion und Introversion wurden im 20. Jahrhundert bereits vielfach beschrieben, zum Beispiel von Carl Gustav Jung, Eysenck oder Cattell, einigen bekannten Psychologen. 

Carl Gustav Jung, ein Schüler Freuds, entwickelte um 1913 ein Modell. Er ging damals davon aus, ähnlich wie Freud, dass es psychische Energien gibt. Extraversion bedeutet dort im übertragenen Sinne, dass sich die eigene psychische Energie nach außen wendet und das Interesse eher bei Objekten (statt dem Subjekt/ dem Selbst) liegt. Bei der Introversion ist es andersherum: das Interesse bleibt viel stärker beim Selbst, statt im Außen. Was bedeuten psychische Energien genau?

Es bedeutet nicht, dass introvertierte Personen die ganze Zeit an sich selbst denken und sich nur für sich interessieren. In der psychoanalytischen Theorie steht “Interesse” quasi für die Richtung der eigenen Aufmerksamkeit. Zum Beispiel: 

  • Kreise ich mit meiner Aufmerksamkeit eher um andere Personen und das, was in Gruppen und außerhalb meiner Gedanken passiert? 
  • Oder beschäftige ich mich mit mir selbst und gehe Tätigkeiten nach, in denen man wenig mit Gruppen zu tun hat?

Auf einer anderen Welle: Extrovertierte erkennen

Heutzutage würde man sich diese psychischen Energien so erklären, dass extrovertierte Personen eher Energie aus Gruppenveranstaltungen oder sozialen Situationen gewinnen. Sie fühlen sich besonders wohl, wenn viele Menschen um sie herum sind und es Dinge zu erzählen, erleben oder zu besprechen gibt. 

Introvertierte Personen wären von solchen Situationen eher ausgelaugt und fühlen sich, als wenn ihnen Energie entzogen wird. Feiern im Club, Kongresse, Messen oder Sportveranstaltungen sind für solche Personen eher anstrengend, als dass sie sie genießen können.

Video: Extrovertiert oder introvertiert. Erklärt von den Psychologen Stefanie Stahl und Lukas Klaschinski

Was bedeutet extrovertiert in der Psychologie?

Extrovertiert oder extravertiert: Was ist richtig? 

Im umgangssprachlichen Gebrauch werden extrovertiert und extravertiert gleichsam verwendet. Der korrekte Begriff aus der Psychologie ist jedoch die Extraversion. Das kommt aus dem Lateinischen, da “extra” so viel bedeutet wie “nach außen”. “Intro” hingegen bedeutet so viel wie “nach innen”. Ob nun extravertiert oder extrovertiert gesagt wird, oft ist dasselbe gemeint. Die Extraversion ist das Gegenteil der Introversion und als Begriff von Carl Gustav Jung etabliert worden. Fast alle Persönlichkeitsmodelle verwenden die gegensätzlichen Dimensionen.

Studie: Kann Extraversion vor Depression schützen?

In einer Studie von 2021 wurden über 500 Personen über drei Jahre untersucht. Die Forscher*innen wollten herausfinden, ob Extraversion und Unterstützung durch das soziale Umfeld eine Art “Schutzfunktion” gegenüber Depression und Angststörungen sein kann.

Und tatsächlich: Die Ergebnisse lassen die Forscher*innen schlussfolgern, dass extravertierte Eigenschaften und die Förderung sozialer Bindungen in Präventions- und Rehabilitationsprogrammen sehr hilfreich sein könnten. 

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Was Persönlichkeitstests dir verraten (und was nicht)

Was Freud und Jung als Konzepte entwickelt haben, nutzten andere Psychologen bzw. Forscher, um daraus verschiedene Tests zu entwickeln.

Um einen Test zu entwickeln, der die Persönlichkeit auch so erfasst, wie sie tatsächlich ist, muss man als Forscher*in zunächst eine Definition für “introvertiert” bzw. “extrovertiert” festlegen. Bevor man etwas messen will, muss man sich also darüber im Klaren sein, was man eigentlich erfassen kann - und was nicht. Daraus ergibt sich ein “Nachteil” eines Persönlichkeitstests:

  • Der Test verrät dir nur das, was er auch messen kann. Wenn Introversion so definiert ist, dass eine Person sich in ihrer Freizeit alleine beschäftigt, dann wird auch nur das im Test erfasst. Nicht aber wird gemessen, ob die Person schon immer so war, wie andere Menschen ihr Verhalten einschätzen oder wie sie sich in außergewöhnlichen Situationen verhält. Es gibt bei Persönlichkeitstests also immer verschiedene Komponenten, die nicht erfasst werden und die aber trotzdem zu deiner Persönlichkeit gehören.

Extraversion und Introversion in Persönlichkeitstests

Das weitverbreitetste Modell für Persönlichkeitstests ist das 5 Faktoren (Big 5) Modell. Im Englischen kürzt man es als das OCEAN- Modell ab. Es umfasst die 5 “wichtigsten” bzw. messbarsten Persönlichkeitseigenschaften:

  • Offenheit 
  • Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness)
  • Extraversion
  • Verträglichkeit (Agreeableness)
  • Neurotizismus

Man geht davon aus, dass diese 5 Faktoren über die Zeit stabil sind, sich also nicht im Laufe des Lebens verändern. Außerdem vermutet man, dass die Faktoren eine gewisse erbliche Komponente haben. Deshalb ist die 5 Faktoren Theorie auch die bekannteste Theorie der Persönlichkeit. Einige Tests, die die 5 Faktoren messen, sind

  • Neo FFI: Neo- Fünf- Faktoren- Inventar
  • Neo PIR: Neo- Persönlichkeitsinventar.

Bin ich extrovertiert oder introvertiert?

Ohne einen zeitaufwendigen und teuren Persönlichkeitstest machen zu müssen, kannst du ganz leicht selbst herausfinden, ob du mehr Introvertiertheit oder Extraversion in dir trägst. Introvertierte Menschen werden von anderen Menschen als eher 

  • ruhig und zurückhaltend
  • weniger häufig sozial interagierend
  • und überlegter beschrieben. 

Wenn du in Gruppen nicht viel sagst und dich als “stiller Beobachter” wohl fühlst, dann sind das typische Merkmale für eine introvertierte Persönlichkeit. Introvertiert bedeutet auch, dass du dich gern in ruhigen Umgebungen oder gut mit dir selbst beschäftigen kannst. Vielleicht hast du ein Hobby, bei dem du viel Zeit allein verbringst, zum Beispiel Malen, Stricken, Lesen, Musizieren usw. 

Klassische “Extrovertiert- Eigenschaften” sind, dass

  • sie offen für andere sind,
  • leicht Vertrauen schaffen können und Vertrauen zu anderen haben,
  • sie kontaktfreudig sind 
  • sie impulsiv sein können 
  • gerne sprechen und sich austauschen (Extravertierte sind “Sprech-Denker”, das heißt sie sprechen und denken gleichzeitig)
  • lebendig Gestik und Mimik bzw, Körpersprache einsetzen
  • neue Eindrücke, Herausforderungen suchen
  • sich bei Teamarbeit sehr wohl fühlen. 

Wie das Gehirn bei Extrovertierten funktioniert

Intro- und extrovertierte Personen unterscheiden sich auch auf neuronaler Ebene (im Gehirn). Die Gehirne von Menschen, die eher introvertiert sind, nehmen im Vergleich zu extrovertierten Personen mehr Informationen auf bzw. filtern diese anders, sodass sie sich schnell “überreizt” und müde fühlen. Bei extrovertierten Menschen dominiert ein anderer Neurotransmitter (Dopamin) die “Informationswege” im Gehirn und dieser wird durch neue und faszinierende Eindrücke “gefüttert”, sodass mehr Informationen schneller bzw. anders verarbeitet werden. Die extrovertierten Personen fühlen sich deshalb auch wohler mit neuen Eindrücken und Erlebnissen. 

Studie: Sind Introvertierte eher depressiv?

In einer Studie von 2009 untersuchten Forscherinnen, ob die Persönlichkeitsdimensionen Introversion und Neurotizismus die Symptome einer Depression oder Angststörung beeinflussen. Außerdem versuchten die Wissenschaftlerinnen zu ermitteln, ob Introversion und/ oder Neurotizismus eine Prädisposition für Depression darstellen können. Zu drei Zeitpunkten wurden Personen mit Depression und Personen ohne Depression befragt. Wenn sich depressive Personen erholten, stiegen ihre Werte für Extraversion und die Neurotizismus Werte sanken. 

Personen mit Depression haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung mit großer Wahrscheinlichkeit hohe Neurotizismus und geringe Extraversion Werte. 
Insgesamt schlussfolgerten die Autor*innen der Studie, dass Neurotizismus und Introversion bei Personen, die gerade eine Depression haben, durchschnittlich etwas ausgeprägter sind (als in der Allgemeinbevölkerung). Es ist wichtig anzumerken, dass solche Werte über Fragebögen bzw. Tests erhoben werden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch andere Werte hervorbringen können. 

Achtung: Aus der Studie geht eindeutig nicht hervor, dass sich nach einer depressiven Episode die Persönlichkeit in Bezug auf Neurotizismus oder Introversion nachhaltig verändert.

Ein Artikel von

Hanna Eggebrecht Redakteurin · B.Sc. Psychologie | M.Sc. Psychotherapie

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Quellenangaben

  1. Jylhä P, Melartin T, Rytsälä H, Isometsä E. Neuroticism, introversion, and major depressive disorder--traits, states, or scars? Depress Anxiety. 2009;26(4):325-34. doi: 10.1002/da.20385. PMID: 19263467.
  2. Metts, A., Zinbarg, R., Hammen, C., Mineka, S., & Craske, M. G. (2021). Extraversion and interpersonal support as risk, resource, and protective factors in the prediction of unipolar mood and anxiety disorders. Journal of abnormal psychology, 130(1), 47–59. https://doi.org/10.1037/abn0000643
  3. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/extraversion
  4. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/introversion 
  5. von Heydwolff, A. (2000). Extraversion / Introversion. In: Stumm, G., Pritz, A. (eds) Wörterbuch der Psychotherapie. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-99131-2_516
  6. Goldberg, L.R. (1981). Language and individual differences: The search for universals in personality lexicons. In L. Wheeler (Ed.), Review of personality and social psychology (pp. 159-181). Beverly Hills, CA: Sage.
  7. John, O.P., Naumann, L.P. & Soto, C.J. (2008). Paradigm shift to the integrative Big-Five trait taxonomy: History, measurement, and conceptual issues. In O. P. John, R. W. Robins & L. A. Pervin (Eds.), Handbook of personality: Theory and research (pp. 114-158). New York, NY: Guilford Press.
  8. McCrae, R.R. & Costa, P.T., Jr. (2008). The Five-Factor Theory of personality. In O. P. John, R. W. Robins & L. A. Pervin (Eds.), Handbook of personality: Theory and research (pp. 159-181). New York, NY: Guilford Press.
  9. Stangl, W. (2022, 25. November). Introvertiertheit – Introversion – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
  10. https://lexikon.stangl.eu/1924/introvertiertheit-introversion.
  11. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/fuenf-faktoren-modell
  12. https://lexikon.stangl.eu/1924/introvertiertheit-introversion 
  13. https://www.youtube.com/watch?v=JYgvVTNBHz8 
  14. Foto von RF._.studio: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-die-auf-orange-sofa-liegt-3621210/

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