Zurück 29 Dec 2021 · 8 min lesezeit
von Felicitas Eva Lindner, Michaela Asmuß

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Die Körperdysmorphe Störung oder Körperschemastörung (englisch body dismorphia) ist eine Krankheit, bei der Betroffene ihren Körper oder bestimmte Körperteile als falsch, entstellt, zu hässlich, zu dick oder zu dünn wahrnehmen. Die Körperschemastörung ist ein häufiges Begleitmerkmal von Essstörungen.

Viele Menschen wünschen sich hin und wieder, sie hätten ein paar Kilo weniger auf den Rippen, haben vermeintliche Problemzonen oder finden sich „nicht schön“. Bei einer Körperschemastörung aber ist die Wahrnehmung des eigenen Körpers und der eigenen Figur so gestört, dass Betroffene sich selbst als unattraktiv, abstoßend und hässlich wahrnehmen. Auch wenn das objektiv nicht der Fall ist.

Was ist eine Körperschemastörung?

Bei der körperdysmorphen Störung beschäftigen sich Betroffene übertrieben mit einem oder mehreren subjektiv wahrgenommenen Mängeln ihres Körpers. Dabei werden die eigenen Körperteile nicht nur als hässlich, sondern oft auch als deformiert empfunden. Oft sind es Gesicht oder Kopf, die verzerrt wahrgenommen werden. Betroffene finden beispielsweise ihre Nase zu groß, leiden unter Narben im Gesicht oder unter als entstellend empfundenen Ohren. Die körperdysmorphe Störung kann sich aber auch auf andere Körperpartien richten oder zwischen diesen wechseln. So können sich Betroffene zum Beispiel auf die Brüste, die Beine, Gesäß oder Haare fokussieren. Die körperdysmorphe Störung beginnt üblicherweise in der Pubertät. Bei Frauen scheint sie etwas häufiger vorzukommen.

Vor allem bei Männern kann die Körperschemastörung als Muskeldysmorphophobie auftreten: Betroffene beschäftigen sich übermäßig mit der Vorstellung, dass ihr Körper zu klein oder nicht muskulös genug ist.

Körperdysmorphe Störung: ICD und DSM

Körperdysmorphe Störung: ICD-10

In der zehnten Ausgabe der „Internationalen Klassifikation der Krankheiten“ (englisch: „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“), kurz ICD-10, wird die körperdysmorphe Störung als hypochondrische Störung klassifiziert (F45.2). Neben der vorherrschenden Angst an einer oder mehreren schweren und fortschreitenden körperlichen Krankheiten zu leiden, werden normale oder allgemeine Körperwahrnehmungen und Symptome oft als abnorm und belastend interpretiert. Depression und Angst sind häufig Begleitdiagnosen.

Körperdysmorphe Störung: DSM-5

In der fünften Auflage des „Diagnostischen und statistischen Leitfadens psychischer Störungen“ (englisch: „Diagnostic and Statistical Manual of mental Disorders“), kurz DSM-5, wird die Körperschemastörung den Zwangsstörungen und verwandten Störungen zugeordnet. Die Kriterien nach DSM-5:

  • Übermäßige Beschäftigung mit einem vermeintlichen Makel im Aussehen, der für andere nicht erkennbar ist oder geringfügig erscheint.
  • Es kommt zu sich wiederholenden Verhaltensweisen (z. B. Überprüfung des eigenen Spiegelbilds, übermäßige Körperpflege) oder immer wiederkehrenden gedanklichen Handlungen (z. B. Vergleich des Aussehens mit anderen) im Zusammenhang mit der körperdysmorphen Störung (Zwangsstörung-Symptome). 
  • Die übermäßige Beschäftigung mit dem eigenen Körperbild verursacht starkes Leiden oder starke Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Lebensbereichen.
  • Die übermäßige Beschäftigung mit dem äußeren Erscheinungsbild wird nicht besser durch die Diagnose einer Essstörung erklärt (z. B. bei Befürchtungen in Bezug auf Körperfett oder Gewicht).

Bin ich von einer Körperschemastörung betroffen?

Körperdysmorphe Störung: Test

Auf der Seite der KDS-Ambulanz der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster kannst du einen Test machen und herausfinden, ob du von einer körperdysmorphen Störung betroffen bist.

Körperdysmorphe Störung: Symptome

Die Körperschemastörung zeigt sich auf unterschiedliche Weise. Zum einen besteht eine übermäßige Beschäftigung mit dem eigenen Makel. Die eigenen Körpermaße, Körperteile oder die Figur werden als deformiert, abartig, ekelerregend oder monströs wahrgenommen.

Zudem macht sich die körperdysmorphe Störung in negativen Gedankenspiralen bemerkbar. Betroffene verbringen in der Regel viele Stunden am Tag mit Gedanken über ihre wahrgenommenen Mängel. Diese können bis zu Ekel und Ablehnung des eigenen Körpers reichen. Sie glauben, dass andere sie aufgrund dieser Körpermerkmale verspotten und verbringen viel Zeit vor dem Spiegel. Umgekehrt gibt es Betroffene, die jeden Blick in den Spiegel vermeiden.

Eine letzte Ebene, auf der sich eine Körperschemastörung zeigt, ist die Verhaltensebene. Die falsche Wahrnehmung des eigenen Körpers führt dazu, dass Betroffene sich für bestimmte Bereiche des eigenen Körpers so sehr schämen, dass sie diese permanent vor anderen verstecken wollen. Es wird viel Zeit mit dem Kaschieren des vermeintlichen Makels verbracht, durch übertriebene Körperpflege, Schminken, Frisieren, Haare zupfen, häufiges Umziehen und durch das Tragen weiter Kleidung. Viele suchen Hautärzte auf oder möchten ihren Körper durch plastische Chirurgie „ansehnlich“ machen. Doch das schafft in der Regel keine Abhilfe.

Menschen mit einer körperdysmorphen Störung schämen sich häufig so sehr für ihren Körper, dass sie sich sozial zurückziehen und Situationen vermeiden, bei denen der Körper gezeigt werden muss oder eine erhebliche Rolle spielt, zum Beispiel im Schwimmbad. Auch das Sexualleben kann erheblich beeinträchtig sein. Eine Körperschemastörung wird oft von einem geringen Selbstwertgefühl begleitet. Soziale Isolation, Depression und auch Suizidgedanken sind häufig.

Hilfe bei Suizidgedanken

Hast du den Wunsch, dich umzubringen oder denkst du an Selbsttötung, wende dich bitte umgehen an deine*n Hausärzt*in, eine*n Psychotherapeut*in, die nächste psychiatrische Klinik oder eine*n Notärzt*in unter der Telefonnummer 112.
Du erreichst die Telefonseelsorge rund um die Uhr und kostenfrei unter:
0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
www.telefonseelsorge.de
Kinder
  • und Jugendtelefon:
0800-111 0 333 (kostenfrei, Mo bis Sa: 14-20 Uhr)
www.nummergegenkummer.de

Körperdysmorphe Störung: Ursache

Es gibt verschiedene Faktoren, die das Entstehen einer Körperschemastörung begünstigen:

  • Soziokulturelle Ebene: Hierbei handelt es sich um Faktoren, die durch die Gesellschaft beeinflusst werden. Vor allem Schönheit hat einen hohen Stellenwert. Medien vermittelten den Druck, schlank und schön zu sein. Der Wunsch, diesem schlanken Schönheitsideal zu entsprechen, das in sozialen Medien oft sehr realitätsfern vermittelt wird, kann zu einer falschen und gestörten Wahrnehmung des eigenen Körpers führen.
  • Individuelle Ebene: Persönlichkeitsbezogene Faktoren können die Entstehung einer Körperschemastörung begünstigen. Oft sind Betroffene schon in der Kindheit auf ihr Äußeres fixiert. Das Aussehen ist Quelle von Bestätigung und Anerkennung. Mobbing und Hänselei verletzen das Selbstwertgefühl. Die Betroffenen stellen ihr Aussehen immer mehr
    infrage. Besonders anfällig sind perfektionistische, schüchterne oder ängstliche Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl. Auch ein tatsächlich oder früher einmal vorliegender kleiner Schönheitsfehler kann die Krankheit auslösen.
  • Biologische Ebene: Experten vermuten eine Störung des Serotoninhaushalts bei Menschen mit Körperschemastörung.

Körperschemastörung als Symptom von Essstörungen

Eine Körperschemastörung wird, neben der starken Angst zuzunehmen, inzwischen als wesentlicher Bestandteil und als ein Diagnosekriterium von Essstörungen beschrieben. Besonders häufig kommt eine körperdysmorphe Störung bei Magersucht und Bulimie vor. Die Körperschemastörung kann aber nicht nur Symptom, sondern auch Auslöser sein: Die negative Wahrnehmung des eigenen Körpers kann dazu führen, ihn kontrollieren und verändern zu wollen.

Die Form der Körperbildstörung unterscheidet sich bei Magersucht und Bulimie: Bei Magersucht steht die übertriebene Angst vor der Gewichtszunahme und eine falsche Wahrnehmung des Körpers und der Figur im Mittelpunkt. Bei der Bulimie zeigt sich die Körperschemastörung vor allem durch den übermäßigen Einfluss des Körpergewichtes auf den Selbstwert.

Körperdysmorphe Störung: Therapie

Als effektivste Therapie der Körperbildstörung gelten die Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie. In der Therapie werden dysfunktionale Verhaltensweisen, wie stundenlanges in den Spiegel schauen, aufgedeckt. Neue Verhaltensweisen werden eingeübt. Betroffene lernen, belastende Gedanken zu erkennen und zu verändern. So soll destruktives Verhalten in Bezug auf den eigenen Körper unterbunden werden. Zusätzlich können Medikamente zum Einsatz kommen. Hier haben sich Antidepressiva aus der Gruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) bewährt.

Körperdysmorphe Störung: Behandlung bei Essstörungen

Da eine Körperschemastörung als zentrales Symptom von Essstörungen gilt, ist es wichtig, zunächst an einem positiven Körperbild zu arbeiten. Neben der Kognitiven Verhaltenstherapie eignet sich die Körperbildtherapie. Ähnlich wie bei der Therapie von Angststörungen wird hier mit Konfrontation gearbeitet. Durch wiederholtes und gezieltes Auseinandersetzen mit dem eigenen Körper können negative Assoziationen mit diesem reduziert werden.

 Körperdysmorphe Störung: Heilung möglich?

Die körperdysmorphe Störung ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung. Je früher sie erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Ohne Behandlung verläuft die körperdysmorphe Störung chronisch und kann sich bis zum Wahn steigern.

Körperdysmorphe Störung: Hilfe finden

Körperdysmorphe Störung: Klinik

Ein Klinikaufenthalt kann helfen, wieder einen gesunden Blick auf den eigenen Körper zu bekommen. In der Klinik wird mit Kognitiver Verhaltenstherapie und anderen Angeboten gearbeitet. Eine Behandlung der körperdysmorphen Störung findet in der Regel in psychosomatischen oder psychiatrischen Einrichtungen statt.

Körperdysmorphe Störung: Selbsthilfe

Informationen für Betroffene und Angehörige, Hinweise auf Studien und weiterführende Links findest du auf den Seiten von KDS-NET.

Körperdysmorphe Störung: Buch

Auf KDS-NET findest du auch Hinweise zu Ratgebern für Betroffene und Angehörige.

Körperdysmorphe Störung: Forum

Es gibt auch ei Forum für Betroffene auf der Seite von Dysmorphophobie.de. Auch in Selbsthilfeforen zu Essstörungen ist die Körperschemastörung ein Thema.

Körperdysmorphe Störung: Erfahrungsbericht

Erfahrungsberichte von Betroffenen findest du in Medien-Beiträgen, persönlichen Blogs oder Podcasts. Jedoch solltest du diese mit Vorsicht genießen, wenn du eine Körperschemastörung oder eine Essstörung hast, da beides dadurch leicht getriggert werden kann.

Gender Dysphoria

Die Genderdysphorie (englisch gender dysphoria) darf nicht mit der körperdysmorphen Störung verwechselt werden. Der Begriff Genderdysphorie bezieht sich auf die Spannung und das Leiden, die aus der Diskrepanz zwischen Geschlechtsidentität und biologischem Körper entstehen. Dass Transidentität heute in den medizinischen Diagnosekatalogen noch als Krankheitsbild verortet ist, ist nicht mehr zeitgemäß. Und dennoch ist eine Diagnose wichtig, damit notwendige medizinische Maßnahmen zur Anpassung der Geschlechtsidentität von den Krankenkassen übernommen werden.

Ein Artikel von

Felicitas Eva Lindner Redakteurin · Journalismus M.A. | Psychologie B.Sc. | Psychologie M.Sc.

Michaela Asmuß Psychologin

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Quellenangaben

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