Zurück 05 Sep 2023 · 8 min lesezeit
von Marieke, Hanna Eggebrecht

Was ist eine Essstörung?

Essstörungen sind meist durch ein in irgendeiner Form abnormales Essverhalten gekennzeichnet. Oftmals kreisen die Gedanken der Betroffenen um die Themen Essen, Körper und Gewicht. Je nach Erkrankungsform können mangelndes oder übermäßiges Essen oder auch Maßnahmen zur Gewichtsreduktion lebensgefährlich sein.

Essstörungen gehören zu den psychosomatischen Störungen und müssen nicht immer mit bloßem Auge erkennbar sein. Je nach Erkrankungsform kann starkes Unter- oder Übergewicht vorkommen, Normalgewicht ist jedoch ebenfalls möglich.

Überblick: Formen von Essstörungen

Welche Essstörungen gibt es? Die drei häufigsten Essstörungen sind

Ein gestörtes Essverhalten, welches gesundheitliche Schäden zur Folge haben kann, haben alle Formen von Essstörungen gemein. Häufig treten Essstörungen auch als Mischformen auf. 

Essstörungen: allgemeine Symptome

Anzeichen einer Essstörung sind unterschiedlich bei den verschiedenen Arten von Essstörungen. Dennoch gibt es ein paar allgemeine Gemeinsamkeiten, an denen man problematisches Essverhalten erkennen könnte:

  • Gedanken kreisen ständig um das Essen und bestimmen den Alltag
  • Betroffene Person ist nicht der Meinung, dass sie ein Problem hat
  • Essen bzw. Nahrungsaufnahme wird als kompensatorische Maßnahme eingesetzt (z.B. nicht essen oder übermäßig viel essen, wenn es mir schlecht geht)

Symptome einer Bulimie

  • Normalgewicht, sportliches Erscheinungsbild
  • scheinbar gesunde Ernährung 
  • weniger am Körpergewicht erkennbar als andere Essstörungen
  • regelmäßige, nicht kontrollierbare Essattacken
  • Angst vor einer Gewichtszunahme 
  • gewichtsreduzierende Maßnahmen
  • Wechsel zwischen Phasen mit Heißhunger und Ess-Brech-Anfällen
  • Nährstoffmangel 
  • eingerissene Mundwinkel
  • durch Magensäure angegriffene Zähne
  • „Hamsterbacken“ (vermehrte Produktion von Speichel)
  • Selbstwertgefühl stark vom Äußeren abhängig 
  • Scham, Ekel und Schuldgefühle 

Die Essanfälle dienen der Regulation von unerwünschten Gefühlen, wie Angst, Frust oder Wut. Bulimie tritt, wie alle Essstörungen, häufig zusammen mit einer Depression oder mit Substanzmissbrauch auf.

 „Zunächst begann es mit einer Diät, als ich 13 war. Ich hatte mich in meinem Körper immer schon unwohl gefühlt. Ich nahm sehr stark ab und konnte das Abnehmen nicht mehr steuern. Meine Eltern haben dann klare Vorgaben gemacht, wie ich essen soll. Ich habe rasch wieder zugenommen, aber das Gefühl für Hunger und Sättigung völlig verloren. Ich konnte mit dem Essen nicht mehr aufhören und habe aus Angst vor weiterer Gewichtszunahme angefangen zu Erbrechen.“ (BzgA- Essstörungen)

Anzeichen und Symptome der Binge-Eating Störung (Ess-Sucht)

  • Binge-Eating Störung = Esssucht
  • wöchentliche oder tägliche Heißhungerattacken
  • Herunterschlingen großer Nahrungsmengen 
  • Genuss oder Hunger stehen nicht im Vordergrund
  • Übelkeit oder Schmerzen im Bauch stoppen Essattacke
  • Schuldgefühle, Scham und Ekel begleiten die Essanfälle

Im Gegensatz zu Bulimiker*innen treffen Menschen mit Binge-Eating-Störung (Esssucht) keine Gegenmaßnahmen, wie Erbrechen, sodass Übergewicht eine typische Folge ist. Dies begünstigt die Entstehung von Diabetes und Herzkreislauferkrankungen.

Typische Symptome einer Magersucht (Anorexie)

  • = Anorexia nervosa, Anorexie 
  • bezeichnet eine Essstörung, die von dem Drang geprägt ist, möglichst wenig zu wiegen und das Essverhalten kontrollieren zu können. 
  • Selbstwert und Wohlbefinden meist vom Gewicht abhängig. 
  • Ständige Kontrolle und Reduzierung des Körpergewichts 
  • Restriktiver Typus: Nahrungsaufnahme verringert oder verweigert
  • Purging Typus: Nach dem Essen Gegenmaßnahmen ergreifen, z.B. Erbrechen, Abführmittel nutzen oder exzessiv Sport machen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Störungen im Elektrolyt- und Hormonhaushalt
  • Organschäden
  • Osteoporose
  • Unfruchtbarkeit 

Anorexie ist eine der tödlichsten psychischen Erkrankungen bzw. Essstörungen. Eine Therapie ist immer notwendig. Aufgrund einer fehlenden Krankheitseinsicht verweigern viele Patient*innen eine Therapie.

Hast du eine Essstörung? Teste dich!

Laut Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung - BzgA- “Essstörungen” gilt:

“Nicht jede Person, die beim Essen ab und zu über die Stränge schlägt, ist ernsthaft krank. Und nicht jede Person, die durch eine Diät viel abgenommen hat, ist magersüchtig.

Solche Verhaltensweisen können aber, wenn andere Faktoren hinzukommen, der Beginn einer Essstörung sein. Der Übergang von einem auffälligen zu einem krankhaften Essverhalten ist oft schleichend.”

Essstörungen entwickeln sich meist in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Schätzungen zufolge zeigen mehr als eine Millionen Kinder und Jugendliche Essstörung- Symptome. Auch die Zahl der jungen Männer, die an Essstörungen erkranken, ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Insgesamt treten die Erkrankungen in einem immer jüngeren Alter auf.

Rund 33% der 14- bis 17-jährigen Mädchen zeigen erste Symptome und Warnsignale von Essstörungen. Typischerweise sind Betroffene 12-35 Jahre alt.

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Wie entsteht eine Essstörung?

Oft ist die Entstehung der Essstörungen multifaktoriell bedingt. Das heißt, verschiedene Faktoren spielen bei der Entstehung von Essstörungen zusammen. Psycholog*innen nennen biologische, individuelle, familiäre und soziokulturelle Ursachen. Zu den biologischen Ursachen gehören der Einfluss von Hormonen und genetische Faktoren. Individuelle Ursachen von Essstörungen sind unter anderem die Neigung zu Perfektionismus oder ein hoher Leistungsanspruch, ein geringes Selbstwertgefühl oder traumatische Erlebnisse. Als familiäre Ursachen gelten beispielsweise psychische Erkrankungen eines Elternteils oder das Fehlen von positiven Vorbildern. Zu den soziokulturellen Ursachen von Essstörungen zählen das durch die Medien geprägte Schönheitsideal sowie der Vergleich mit Freund*innen und Personen der Öffentlichkeit.

Diagnose Essstörung: So wird sie gestellt

Zur Diagnose von Essstörungen ziehen medizinische und psychotherapeutische Fachpersonen das Gewicht und die Körpergröße heran, sowie den daraus ermittelbaren Body-Mass-Index. Ein niedriger BMI ist typisch für die Magersucht, ein hoher BMI wiederum für die Binge-Eating-Störung. Menschen mit Bulimie haben oftmals einen BMI im Normalbereich. Bei der Diagnose können Fragebögen hilfreich sein. Betroffene sind sich ihrer Essstörung meist bewusst, zeigen jedoch erst spät eine Krankheitseinsicht und verweigern die Therapie.

Therapie und Hilfemöglichkeiten

„Als ich am tiefsten in der Krankheit drin war, hatte ich auch keine Kontrolle mehr, denn die Essstörung hatte mein Gewicht und auch mich selbst unter Kontrolle."

Damit eine Psychotherapie bei Essstörungen erfolgreich ist, sollte die betroffene Person die Einsicht haben, dass sie krank ist und Hilfe benötigt. Man kann Essstörungen selten selbst heilen, aber Psychotherapie kann eine gute Methode sein, um die Heilung zu fördern. Die kognitive Verhaltenstherapie gehört zu den Methoden, die bei der Therapie der Essstörungen gute Erfolge zeigt. Da Menschen mit Essstörungen auf Stress und emotionale Situationen mit einem gestörten Essverhalten reagieren, zielt die Therapie darauf ab, ihnen alternative Bewältigungsstrategien beizubringen. Besonders bei jungen Patient*innen ist es wichtig, das familiäre Umfeld in die Therapie mit einzubeziehen. Auch Angehörige lernen, Essstörungen zu verstehen und können die betroffene Person somit besser unterstützen. Unterstützend kann zudem eine Ernährungstherapie mit der Spezialisierung auf Essstörungen helfen, bei der Wissen zu gesunder Ernährung, strukturierte Mahlzeiten und Portionsgrößen erlernt werden.

Essstörungen: Hilfe online finden

Faktoren, die viele Betroffene von Essstörungen davon abhalten sich Hilfe zu suchen, sind unter anderem Scham, Schuldgefühle und die Angst vor Stigmatisierung. Hilfe bei Essstörungen bietet auch eine Online-Therapie wie die von Selfapy als Einstieg an. Sie erfolgt anonym und flexibel über das Internet und kann den Grundstein für eine spätere psychotherapeutische Therapie legen.

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Krankheitsverlauf und Wechselwirkungen

Wie kann sich eine Essstörung entwickeln?
Häufig gehen die Essstörungen ineinander über oder wechseln sich ab. Die Symptome sind mal stärker oder schwächer ausgeprägt. Daher lassen sich Betroffene nicht immer eindeutig einer der Kategorien zuordnen. Beispielsweise entwickeln rund 20 Prozent der Magersüchtigen eine Bulimie und 25 Prozent eine chronische Anorexie. Einem Drittel gelingt es nach einer Therapie Normalgewicht zu erreichen. Rund 30 Prozent der Bulimiker*innen entwickeln eine chronische Form. Zur Binge-Eating-Störung liegen noch relativ wenige Daten aus Studien vor. Die Erkrankung verläuft häufig in Phasen. Nach einer Therapie zeigen zwischen 30 und 80 Prozent der Patient*innen eine deutliche Symptomverbesserung.

Mehr über Essstörungen erfahren

Willst du mehr über Essstörungen erfahren? In vielen Büchern, Magazinen, Filmen oder auch Podcasts werden sämtliche Essstörungen -Arten thematisiert. Hier findest du eine kleine Auswahl:

Filme

  • “To the Bone” (2017)
  • “Aus Haut und Knochen” (2019)
  • “Spencer” (2022)
  • “Durchgeknallt” (1999)
  • “Physical” - Serie (2021)
  • “Vincent will Meer” (2010)
  • “Thin”- Dokumentation (2006)
  • “Magersüchtig- Schrei nach Liebe” (1994)

Bücher

  • “Stalins Kühe” von Sofi Oksanen (Roman; Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2012; ISBN 9783462043747)
  • »Ich bin müde, kraftlos und herzleer« von Renate Kunze (aus der Perspektive von Müttern geschrieben, 2009; ISBN: 978-3-407-22413-2)
  • “Die Bulimie besiegen” von Ulrike Schmidt, Janet Treasure und June Alexander aus dem Jahr 2001; ISBN: 978-3-407-86409-3
  • »Wir waren essgestört, traurig, einsam und leer - heute leben wir, wie es uns gefällt«- Junge Frauen erzählen ihre Geschichte; Herausgegeben von Monika Gerlinghoff und Herbert Backmund im Jahr 2019; ISBN: 978-3-407-86586-1
  • “Essen will gelernt sein” von Monika Gerlinghoff, Herbert Backmund, Cordula Bittenbinder-Obermeier aus dem Jahr 2017; ISBN: 978-3-407-86489-5
  • “Ana Ex - Wie die Magersucht siegt und wie sie scheitert” Verlag: Carl-Auer-Systeme 2008. ISBN: 978-3-89670-260-9
  • “Alice im Hungerland”- Marya Hornbacher. Verlag: Ullstein, 2010. ISBN: 978-3548372952

Podcasts & Mehr

  • Stefanie Stahl spricht mit Sophia Thiel: Diagnose Essstörung
  • WDR: Essstörungen - Wenn der Körper zum Feind wird (1LIVE Reportage)
  • DW: Krankhafte Essstörungen: Magersucht und Bulimie
  • Techniker Krankenkasse Podcast: Essstörungen: Magersucht, Bulimie und Binge Eating - mit Dr. Silke Naab
  • “Notes to myself”- Podcast; sehr umfangreicher Erfahrungsbericht einer von Bulimie Betroffenen in mehreren Kapiteln
  • rbb24: "Wir sehen mehr und schwerere Fälle von Essstörungen" - Zunahme der Fälle von Essstörungen in der Corona Pandemie.
  • DW: "Anorexie: Magersucht kann lebensbedrohliche Folgen haben"
  • Ärzteblatt ganz aktuell: Wirksamkeit von Psychotherapie bei Magersucht sehr hoch.
  • DIE ZEIT: Tipps für Eltern mit magersüchtigen Kindern.
  • Süddeutsche Zeitung: Wie Magersucht von Instagram beeinflusst bzw. begünstigt wird.
  • Podcast vom NDR: Wie Instagram Magersucht verstärkt.

Ein Artikel von

Hanna Eggebrecht Redakteurin · B.Sc. Psychologie | M.Sc. Psychotherapie

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Quellenangaben

1. Bundesgesundheitsministerium (o.J.). Essstörungen. Online verfügbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/e/essstoerungen.html [17.06.20].

2. Fairburn, C. G. (2018). Kognitive Verhaltenstherapie und Essstörungen. Klett-Cotta.

3. Hepp, U., & Milos, G. (2010, December). Essstörungen. In Swiss Medical Forum (Vol. 10, No. 48, pp. 834-840). EMH Media.

4. Herpertz, S., Hagenah, U., Vocks, S., von Wietersheim, J., Cuntz, U., & Zeeck, A. (2011). Diagnostik und Therapie der Essstörungen. Dtsch Arztebl Int, 40, 678-685.

5. Reich, G. (2005). Familienbeziehungen und Familientherapie bei Essstörungen.

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