Zurück 10 Jul 2023 · 9 min lesezeit
von Hanna Eggebrecht
Angst vor der Arbeit

Die Arbeitsplatzphobie ist eine Sonderform der Arbeitsangst und liegt als solche dann vor, wenn nur beim bloßen Gedanken daran, panische Angst vor Arbeit entsteht oder der Arbeitsort aufgrund dessen vermieden wird. Wenn eine Person also einfach lustlos ist oder der Job keinen Spaß mehr macht, steht das noch lange nicht für eine Arbeitsplatzphobie. Auch die klinische Forschung beschäftigt sich laufend mit den Zusammenhängen und Prävalenzen zwischen Arbeitsplatz und psychischen Störungen.

Von Angst vor der Arbeit oder Angst zur Arbeit zu gehen sind ca. 5% aller Berufstätigen betroffen. Kolleg*innen, die Angst vor Arbeit haben, erkennt man zum Beispiel daran, dass 

  • bestimmte Situationen oder Personen am Arbeitsplatz vermieden werden
  • zu viel gearbeitet wird
  • sie folglich oft angespannt und ausgebrannt wirken.

Angst vor der Arbeit: Symptome

Eine Angststörung im Beruf oder die spezifische Arbeitsplatzphobie ist bisher noch nicht allzu genau erforscht und erste allgemeine Anzeichen können folgende sein:

  • Fristen werden nicht eingehalten 
  • Arbeitsbezogene Dinge werden vergessen
  • Konzentrationsprobleme bei der Arbeit
  • Regelmäßige Erkrankung (und Ausfall im Beruf)
  • Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen

Die Symptome für (panische) Angst vor der Arbeit ähneln denen einer generalisierten Angststörung mit Bezug auf den Arbeitsplatz bzw. Beruf:

  • Verspannungen 
  • Kopfschmerzen
  • Druckgefühle
  • Schwindel
  • Magenbeschwerden.

Wie auch bei der GAS (generalisierten Angststörung) kommt es in der Situation, also hier im Beruf oder am Arbeitsplatz, zu einem Anstieg der Angst, was Betroffene als panische Angst vor Arbeit identifizieren. Das zeigt sich auf körperlicher Ebene in Symptomen wie Zittern, Schwitzen, Herzrasen, Kloß im Hals, Hitzewallungen oder Kälteschauer, im schlimmsten Fall bis hin zu einer Panikattacke.

Wird der Job vermieden (zum Beispiel, indem man sich krank meldet) oder kündigt, lässt die Angst in der Regel (kurzfristig) nach. Dieses Prinzip nennt man in der Lernpsychologie auch “negative Verstärkung” und führt meistens in einen Teufelskreis, da die Angst bei jedem neuen Versuch wieder auftritt, sofern man sie nicht therapiert. Die Konsequenz für viele Betroffene mit einer Arbeitsplatzphobie ist die Arbeitsplatzvermeidung und in vielen Fällen schließlich die Arbeitsunfähigkeit. Die Angst vor der Arbeit kann sich auch auf Orte in der Nähe des Arbeitsplatzes, Ereignisse mit Arbeitsbezug oder Personen ausbreiten, sodass Angstattacken auch bei “bloßen” Gesprächen über den Arbeitsplatz auftreten können. Dies nennt man “Generalisierung”.

Post Holiday: Nach dem Urlaub Angst vor Arbeit

Das sogenannte “Post- Holiday- Syndrom” beschreibt einen Effekt, der vielen Berufstätigen bekannt vorkommen könnte, da er recht normal ist und sich leicht umgehen lässt. Anders als bei der Arbeitsplatzphobie besteht hier meistens kein Grund zur Sorge, da dieser Effekt schnell verfliegt. Nach dem Urlaub graut es vielen vor dem ersten Arbeitstag und die Stimmung und Motivation sind im Keller. Um ein Leistungstief zu umgehen und die Angst vor der Arbeit aus der Welt zu schaffen kann ein sanfter Einstieg helfen: 

  • realistische To-Do Liste schreiben
  • Übergabe einplanen
  • Urlaubserlebnisse mit Kolleg*innen austauschen 
  • Pausen machen (und kurz in Urlaubserinnerungen schwelgen)
  • 2-3 Tage Übergangsfrist (nicht am Sonntag zurückkommen und am Montag arbeiten) 

Auch die Verwechslung mit dem “Impostor- Syndrom” könnte passieren. Hier fürchten Betroffene, im Beruf zu versagen oder mit ihrem scheinbaren Nichtwissen aufzufliegen. Die panische Angst vor Arbeit bezieht sich hier jedoch auf sie selbst: Sie sind davon überzeugt, nur durch Glück oder großen Zufall erfolgreich im Job zu sein. Finde hier mehr über das Impostor-Syndrom heraus. 

In einigen Fällen bei Angst vor der Arbeit gehen Betroffene davon aus, ihre Befürchtungen seien rational begründbar, wenn real erlebte Auslöser wie zum Beispiel Mobbing anfänglich eine Rolle gespielt haben. Diese Angst ist unter gegebenen Umständen angemessen und im Gegensatz zur Arbeitsplatzphobie mit objektiv unangemessenen Angstreaktionen nicht zu verwechseln. Die Panik zur Arbeit zu gehen ist klinisch betrachtet mit einigen Besonderheiten versehen, da der Arbeitsplatz kein einfach abzugrenzender Stimulus (wie bspw. eine Spinne oder Zug) ist. Es fließen oft komplexe situative und interaktionelle Elemente zusammen, was auch die Therapie erschweren kann.

Warum habe ich Angst vor der Arbeit? Ursachen & Auslöser

Auslöser für eine Angststörung im Beruf können zum Beispiel Unfälle am Arbeitsplatz sein, Umbrüche in der Branche oder Konflikte mit den Kolleg*innen. Als spezifische Auslöser nennen Forscher*innen der Charité Berlin folgende Punkte:

  • Probleme mit Arbeitskolleg*innen
  • Das Gefühl, keine Kontrolle über etwas zu haben
  • Keine Arbeitsplatzsicherheit
  • Hohe Arbeitsbelastung und kurze Abgabefristen
  • wettbewerbsorientiertes Umfeld (in ungesundem und konfliktträchtigem Ausmaß)
  • Ziele sind zu ehrgeizig und komplex
  • nicht genügend Mitarbeiter*innen, um Ziele zu erreichen

Menschen mit einer (generalisierten) Angststörung reagieren überdurchschnittlich stark auf spezielle Situationen. Die Ursachen dafür sind bislang noch nicht eindeutig geklärt. Man vermutet ein Zusammenwirken erblicher, neurobiologischer und psychologischer Faktoren. Lies hier mehr zu den Ursachen einer Angststörung.

Eine “Arbeitsphobie” oder auch “Arbeitsplatzphobie” kann allein, also als eigenständige Krankheit, auftreten. Was eine Phobie von einer Angststörung unterscheidet, kannst du hier nachlesen. Die Angst vor Arbeit kann auch Begleiterscheinung einer Depression sein. Angst, arbeiten zu gehen kann jede*n in allen Berufsgruppen treffen. Angst vor der Arbeit bzw. eine Arbeitsphobie kann also einerseits durch Faktoren am Arbeitsplatz, andererseits auch neben primär auftretenden psychischen Erkrankungen auftreten. Darüber Hinaus ist es möglich, dass Wechselwirkungen entstehen. Besonders häufig ist die Arbeitsplatzphobie nach strukturellen Veränderungen im Job, bei wechselnden Arbeitsinhalten oder zum Beispiel personellen Veränderungen zu finden. 

Angst vor der Arbeit: Test & Forschung

Wenn eine Person also insbesondere zu Ängstlichkeit neigt oder sogar bereits eine Angststörung vorliegt, kann die Angst vor Arbeit sich noch zusätzlich manifestieren.

Der wissenschaftlich fundierte Selbsttest bei Angststörungen von Selfapy gibt dir Auskunft darüber, ob bei dir typische Symptome vorliegen könnten. Achte jedoch darauf, dass es sich bei dem Test lediglich um eine erste Einschätzung handelt und dass er keine professionelle Diagnose ersetzt.

Unter Forscher*innen wird diskutiert, ob die Arbeitsplatzphobie als eigenständige Diagnose bzw. Krankheit oder als Symptom anderer Störungen anzusehen ist. Gemäß ICD-10 könnte man die Angst vor der Arbeit unter F40.8 einordnen (sonstige phobische Störung).

Die “Arbeitsplatzphobie-Skala” wurde als Screening- Methode für klinische Studien an der Charité Berlin entwickelt und verwendet. Im kurzen Selbstbeurteilungsfragebogen wird für jede Frage ein Kreuz gesetzt. Achtung: Die Auswertung erfolgte für diesen Test bisher nur in klinischen Studien durch Fachpersonal, weshalb die Fragen hier lediglich der Selbsteinschätzung dienen. 

Angst vor Arbeit
© Beate Muschalla & Michael Linden

Im Forschungsprogramm wurden arbeitsplatzbezogene Ängste und später speziell die Arbeitsplatzphobie genauer beschrieben und untersucht. Das diagnostische Interview “AAI” (Arbeits-Angst-Inventar) ist hierbei entwickelt worden und orientiert sich an den Skalen des DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Volume 4.). Von der Arbeitsplatzphobie sind demnach folgende andere Ängste oder ähnliche Störungen bezüglich des Arbeitsplatzes zu unterscheiden: 

  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) 
  • Anpassungsstörung mit Angst oder anderen Affekten (Verbitterung, Ärger, Aggressivität, Depressivität)
  • Spezifische und unspezifische soziale Ängste
  • Situationsängste
  • Hypochondrische Ängste 
  • Insuffizienzängste  
  • Generalisierte Sorgenangst

Auf das “Arbeits-Angst-Inventar” aufbauend wurde die “Job-Angst-Skala” entwickelt (kurz: JAS), die wie ein Fragebogen selbst angekreuzt wird. Diese ist jedoch mit 70 Fragen recht lang, sodass eine Kurzform entstand: die Arbeitsplatzphobie-Skala. Die „Arbeitsplatzphobie-Skala“ wurde an mehr als 1000 Patienten getestet und kann als kurzes Screening angewendet werden.

Angst vor der Arbeit: Folgen

Menschen, die es langfristig vermeiden den Arbeitsplatz aufzusuchen, weil sie panische Angst vor Arbeit haben, sind mit negativen Konsequenzen konfrontiert. Die Langzeit-Krankschreibung hat meist den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge und Betroffene fallen unter Umständen in die Frühberentung, wenn sie aus Angst bei der Arbeit gar nicht mehr arbeiten gehen können. Bleibt die Arbeitsplatzphobie unbehandelt kann sich diese chronifizieren, also dauerhaft bleiben. Die Therapie im Sinne einer verhaltenstherapeutischen Exposition (Konfrontation) ist ebenfalls schwer, da der Job mit ungenauen Faktoren wie Kolleg:innen, Ort, Straßen, Gebäuden oder Aufgaben verknüpft ist. Die detaillierte Verhaltensanalyse kann hier hilfreich sein. Eine Kurzzeittherapie zur Behandlung arbeitsplatzbezogener Ängste wurde kürzlich erfolgreich entwickelt und getestet.

Kann man mit einer Angststörung arbeiten?- Tipps

  • Quelle der Angst aufdecken

Wie bereits unter “Ursachen und Auslösern” beschrieben wurde, ist hier Genauigkeit bei der Frage nach der Quelle der Angst geboten. Es kann hilfreich sein, sich die sogenannte “Wunderfrage” zu stellen: Wenn über Nacht plötzlich eine gute Fee die Angst weggezaubert hätte, wie wäre dann der nächste Arbeitstag? Was würden Kolleg*innen und Chef*innen tun? Wie wären Abläufe im Vergleich zu vorher etc.?

  • Eigene Verhaltensmuster besser kennen

Dieser Punkt ist individuell sehr unterschiedlich und erfordert viel Reflexionsfähigkeit, ist aber sehr hilfreich, wenn bereits Vermeidungsverhalten an den Tag gelegt wird. Man kann sich selbst konfrontieren, indem man sich im Moment der Angst besinnt und fragt, was man gerade getan hat, um beängstigende Situationen oder Orte zu vermeiden. 

  • Skills zur Bewältigung erlernen
  1. Profi Tipp: Meditation - Mehrere Studien zeigen, dass Meditationen einen nachweisbaren Einfluss auf das Gehirn haben, genauer gesagt tut sich etwas in der Amygdala, dem Teil des Gehirns, in dem auch Angst verschaltet ist. Meditation ist also in jedem Fall eine Möglichkeit, um beängstigende Gedanken besser zu kontrollieren. Finde hier heraus wie Meditation funktioniert.
  2. Dieser Beitrag beinhaltet hilfreiche Tipps bei Angststörungen und wie man sich selbst helfen kann.
  3. Diverse Ratgeber, unter anderem dieser können helfen: Bettina Stackelberg: Angstfrei arbeiten. Selbstbewusst und souverän im Job. Beck Kompakt. 2010, ISBN: 978-3-406-60843-8
  • Unterstützung holen

Wenn nichts hilft oder man nicht mehr weiterkommt, ist die beste Lösung mit einer*einem Psychotherapeutin*Psychotherapeuten zu sprechen. Vereinbare hier ein kostenloses Infogespräch mit unseren Psycholog*innen.

Therapie bei Angst vor Arbeit

Angst zur Arbeit zu gehen? Was tun? Wie bereits weiter oben beschrieben wurde, ist das therapeutische Vorgehen bei einer Arbeitsplatzphobie etwas komplizierter als zum Beispiel bei der GAS. Es kann nicht einfach ein Objekt (zum Beispiel eine Spinne wie bei der Spinnenphobie) zur gestuften Konfrontation genutzt werden. Die Angst vor der Arbeit beinhaltet komplexe Faktoren, Orte und Situationen, die sich nicht so leicht in einem Raum unterbringen lassen. Auch der Online-Kurs von Selfapy gegen ähnliche Muster der generalisierten Angststörung können hier ein therapeutischer Ansatz sein.

Wirksame therapeutische Interventionen sind Situations- und Verhaltensanalysen, um dem genauen Ursprung der Angst und den zugrundeliegenden und aufrechterhaltenden Interaktionsmustern auf die Spur zu kommen. Lösungsorientiert gedacht kommt der Entwicklung von Bewältigungskompetenzen besondere Bedeutung zu. Zudem können die Bearbeitung des Anspruchsniveaus, Prinzipien des Reframing oder Angstmanagementtrainings hilfreich sein. Die sogenannte “berufliche Belastungserprobung” ist ein therapeutisches Instrument, bei dem Patient*innen in Begleitung eines*einer Psychotherapeuten*Psychotherapeutin zu Besuch in kooperierende Betriebe geschickt werden. Es wird dann Durchhaltevermögen oder auch Leistungsfähigkeit in verschiedenen Bereichen erprobt.

Weiterführende Literatur:

Ein Artikel von

Hanna Eggebrecht Redakteurin · B.Sc. Psychologie | M.Sc. Psychotherapie

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Quellenangaben

  1. Hasalm C, Atkinson S, Brown SS, Hasalm RA (2005) Anxiety and depression in the workplace: Effects on the individual and organisation (a focus group investigation). Journal of Affective Disorders
  2. https://psychosomatik.charite.de/forschung/forschungsgruppe_psychosomatische_rehabilitation_fpr/arbeitsplatzbezogene_aengste/ (13.04.22)
  3. https://www.gq-magazin.de/lifestyle/artikel/angst-vor-der-arbeit-anzeichen-job-tipps
    (11.04.22)
  4. https://www.inqa.de/SharedDocs/downloads/kein-stress-mit-dem-stress-eine-handlungshilfe-fuer-beschaeftigte.pdf?__blob=publicationFile&v=4
    (13.04.22)
  5. https://www.selfapy.com/magazin/wissen/impostor-syndrom
    (13.04.22)
  6. Linden, Michael & Muschalla, Beate. (2007). Arbeitsplatzbezogene Ängste und Arbeitsplatzphobie. Der Nervenarzt. 78. 39-44. 10.1007/s00115-006-2196-6.
  7. Linden M (2006) Arbeitsplatzängste und -phobien. In: Müller-Fahrnow W, Hansmeier T, Karoff M (Hrsg.): wissenschaftliche Grundlagen der medizinischberuflich orientierten Rehabilitation. Papst Verlag, Lengerich
  8. Muschalla, B., & Linden, M. (2008). Die Arbeitsplatzphobieskala. Ein Screening-Instrument für die medizinische Rehabilitation. Ärztliche Psychotherapie, 3, 258-262.

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